Vom Sport zum Beruf

Franziska Braas - heute Wachoffizierin einer Kreuzfahrtreederei - im Portrait

Die Sonne lockt bereits und die Segelsaison naht. Auch in diesem Jahr bietet die SVO Jugendlichen die Möglichkeit zum Segeltraining an. Was aus einer begeisterten Jungseglerin werden kann, berichtet Günther Lühmann:

Günter Lühmann (links) in früheren Zeiten und Eltern mit Segelkids in Aktion
Günter Lühmann (links) in früheren Zeiten und Eltern mit Segelkids in Aktion

Es war ein herrlicher Sommertag. Strahlende Sonne und leichter Ostwind. Ideal für unsere Wassersport-Jugend. Der Ausbilder – das war ich – brauchte sich keine Gedanken zu machen, dass es einen Ramming oder eine Kenterung geben könnte. Und die Zuschauer hatten ihre Freude, so etwas zu sehen. Am Ufer fiel mir ein Mädchen von ca. 12 Jahren auf, das sich an dem Spaß nicht satt sehen konnte.

Am nächsten Tag war erneut schönes Sommerwetter. Obwohl es kein offizieller Trainingstag war, erschien die Jugendgruppe fast vollständig. Auch das Mädchen war wieder da und beobachtete das fröhliche Treiben. Nachdem Boote und Segel wieder an Land verstaut waren, fragte ich das Mädchen, ob es auch segeln lernen möchte. Ja, antwortete sie, aber nicht in solch kleinen Booten. Wir setzten uns zu einem Schwätzchen auf mein Boot und ich war überrascht über all die Fragen, die nun folgten. Ich schlug ihr vor: „Wenn du richtig segeln lernen möchtest, bin ich gern bereit, dich zu unterrichten. Es ist aber keine Kleinigkeit!“. Daraufhin gab sie (Franziska) mir die Hand und rief: „Ja, ich will das gerne lernen!“.

Der Sommer meinte es gut mit uns, so dass fast jedes Wochenende genutzt werden konnten. Dabei waren je nach Lust und Laune 2 – 4 Jugendliche. Geübt wurde auch, wie man ein Boot richtig fest macht. Dazu benötigt man 4 Leinen – jede mit einem Namen und einer bestimmten Funktion. Natürlich gehörten die Knoten ebenfalls zum Programm.

Es kamen Herbst und Winter und damit die ‚geliebte’ Theorie. Im folgenden Sommer wurde das Gelernte umgesetzt. Dabei ging es je nach Tide die Elbe hinauf oder hinab. Jeder Teilnehmer hatte eine bestimmte Aufgabe, die im halbstündigen Rhythmus wechselte.

So gingen die Ausbildungsjahre dahin; die Teilnehmer wechselten, nur eine blieb: Franziska. Also machten wir weiter: Navigation, Strömungen, Wetterbeobachtungen und vieles mehr.

Wachoffizierin Franziska Braas
Wachoffizierin Franziska Braas

Eines Tages erschien Franziska nicht zum Training. Am folgenden Wochenende erschien sie auch nicht. War sie krank? Ich fuhr zu ihren Eltern. Die Mutter kam mir lachend entgegen: „Franziska segelt auf der Nordsee mit dem Schulschiff Kronprincessin Cäcilie!“ Ob ich wohl überrascht war? SEGLERBLUT!

Auch in den folgenden Sommerferien erschien Franzi nicht. Des Rätsels Lösung: Franziska hatte als Volonteur auf einem 1400 to – Kümo angeheuert; Hand gegen Koje. Sie erlebte 3 aufregende Wochen zwischen England und Schweden – die Seefahrt hatte sie vollends gepackt.

Ein Jahr später: Die Kronprincessin beteiligt sich an einer Regatta von Antwerpen nach Dänemark, Südnorwegen und Cuxhaven. Wer ist mit an Bord? Franziska!

Allmählich näherte sich der Schulabschluss. Das bedeutet viel lernen, kein Segeln. Dann war das Abitur in der Tasche. Nach langer Zeit meldete sich mein Telefon: „Ich gehe jetzt zur Seefahrtschule in Elsfleth!“ Nach einer weiteren langen Zeit vermeldete Franziska, dass sie nun für mehrere Monate als Assi auf einem Containerschiff auf große Fahrt geht. Die Reise war kein Zuckerschlecken, aber höchst spannend: Mittelmeer, Suezkanal, Rotes Meer, durch den Indischen Ozean nach Singapur, Hongkong, Shanghai, auf dem Rückweg einen Schlenker zur Ostküste der USA und schließlich wieder nach Hamburg. In Shanghai genehmigte der Kapitän einen Tag frei, damit der Assi die Stadt besichtigen kann – das Glück war vollkommen. Nach der Reise ging es wieder zur Seefahrtschule – bis der erlösende Schrei durchs Telefon kam: „ICH HABE MEIN PATENT IN DER TASCHE!“. Ich war froh und stolz, obwohl sie nur 10 % Seefahrt von mir gelernt hatte.

Nach der Schule fuhr sie noch 7 Monate auf einem 1000 to – Kümo zwischen England und Schweden, Sundsvall und den finnischen Häfen. Doch sie wollte mehr! Sie bewarb sich bei einer Kreuzfahrt-Reederei. Kurz darauf hieß es für sie: Am Samstag, den … in Venedig an Bord melden! Sie kreuzte im Mittelmeer von Hafen zu Hafen, anschließend ging es entlang der europäischen Atlantik-Küste, schließlich nach Deutschland, von hier aus über die Ostsee nach St. Petersburg, nach Stockholm, dann hinauf in den sommerlich schneebedeckten Norden – Spitzbergen, wieder nach Süden – nach London, dann ins Mittelmeer: Dardanellen, Istanbul und sogar nach Odessa am Schwarzen Meer. Franziska wurde aufgrund ihres Könnens, ihrer Patente und der englischen Sprachkenntnisse auf die Brücke zum zweiten Offizier berufen.

Die festen Dienstzeiten sind 4 Stunden am Tag und 4 Stunden in der Nacht. Während der Nacht ist ein Offizier mit einem Ausguck auf der Brücke. Der Ausguck muss ständig den Horizont von Steuerbord über Voraus nach Backbord beobachten und jede Wahrnehmung dem Offizier melden. Der trifft dann die Entscheidungen. Während der Nachtfahrt hängt somit das Leben von 600 Passagieren und 138 Crew-Mitgliedern von Franziska ab.

Auch Passagiere haben oftmals ihre Sorgen und Fragen. Wird dann ein Dolmetscher gebraucht, ist Franziska wieder dran. Sind die Gäste zufrieden, möchten sie häufig gern einen Drink spendieren. Das anzunehmen, ist der größte Fehler, den ein Offizier machen kann - wusste Franziska zu berichten.

Der Freizeitspaß mündete für Franziska im Berufsalltag mit seinen Belastungen und Aufgaben – Franziska hat das keine Minute bereut.

 

Text: Günter Lühmann

 

 

So stellt die Kreuzfahrtrederei FTI Berlin Wachoffizierin Franziska Braas vor (zum Vergrößern auf das Bild klicken).

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    logos-chor (Samstag, 15 März 2014 21:07)

    Toller Beitrag . Da kann man richtig stolz darauf sein.